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Ist Gott pingelig?

Ich lese täglich in der Bibel. Mal mehr, mal weniger. Und wer die Bibel kennt, der wird mir beipflichten: nicht jedes Buch lässt sich gleich gut lesen und / oder verstehen.

Besonders, wenn man sich die zahlreichen Abschnitte anschaut, die eher einer Bauanleitung als einem inspirierenden Text gleichen. Da werden Seite um Seite Maße und Größe auf das Genaueste angegeben. Mauerdicken. Höhen von Steinsäulen. Anzahl von Ornamenten auf Säulenkapitellen. Abmessungen von Vorhängen usw. usw.

Es dauert meist nicht lang und beim Leser schweifen die Gedanken ab. Man huscht über die Zeilen und denkt sich: Was soll das alles?

Wenn Gott den Menschen Anweisungen zum Bau von Stiftshütten, großen Schiffen oder Tempelanlagen durch seine Propheten weiterleitet und dann jedes Detail beschreibt, stellt sich zudem noch eine weitere Frage: Ist Gott pingelig?

Auch mir ging das viele Jahr so. Ich habe den Sinn dieser Bücher nicht verstanden. Ich habe sie als historische Dokumente angesehen, die für den einen oder anderen sicher ganz interessant sein könnten. Aber ich fand sie nicht wirklich spannend. Mal ganz davon abgesehen, dass sich der Sinn dieser Anleitungen für mein Leben wirklich nicht erschlossen.

Bis neulich.

Das finde ich ja am Bibellesen überhaupt das Beste: Dieses Buch – korrekterweise: diese Sammlung von Büchern – ist ein unerschöpflicher Schatz an Erkenntnissen. Ich erzähle es auch im Kundengespräch in meiner Buchhandlung sehr häufig: man liest wieder und wieder den selben Text in der Bibel – und kann damit absolut nichts anfangen. Und dann, eines Tages, springt einen der Text förmlich an, leuchtet auf, die Sirenen heulen und Bämmm! – Plötzlich versteht man, worum es dabei geht.

Das ist mir alles durchaus klar und deshalb zerbreche ich mir in der Regel auch nicht den Kopf, wenn ich einen Text nicht gleich verstehe. Bei den beschriebenen Bauanleitungen hatte ich bislang eh nicht die Erwartungshaltungen großer Erleuchtungen.

Aber wie schon gesagt: Bämmm!

Plötzlich wurde mir klar: Gott ist nicht pingelig. Er ist nur nicht beliebig!

Gott zeigt in seiner Schöpfung, dass er Vielfalt liebt, Sinn für Schönheit hat und auch Humor beweist. Er lässt trotz dieses durchdachten Vorgehens immer noch Raum für Freiheit innerhalb seiner Schöpfung und seiner Geschöpfe. Hinter allem lässt sich irgendwie – und wenn auch ein noch so kleiner – Sinn erblicken. Da ist nichts beliebig. Da ist nichts dem (aus menschlicher Sicht) Zufall überlassen worden.

Wenn nun der große Gott im Universum alles so exakt plant und auf einander abstimmt, dass es bis in die kleinste Zelle und bis hinein in die Mikrokosmen der Quatenphysik wirksam ist und er darin erkennbar ist: warum sollte er dann bei den Bauvorschriften für einen Tempel weniger exakt sein? Das widerspräche seiner Natur. Und wenn ich andererseits sehe, wie ein Auge funktioniert oder ein Herz-Kreislauf-System, Dinge, bei denen alles fein abgestimmt sein muss, dann merke ich mit einem Mal: Die Bauanleitungen in der Bibel sind gar nicht so exakt oder gar pingelig genau, wie ich bisher immer dachte!

Anhand der biblischen Beschreibungen zum Bau der Stiftshütte zum Beispiel, wäre ich nicht in der Lage, sie zu errichten. Ja, es gibt klare Vorgaben und Hinweise auf Dinge, die dem “Bauherrn” wohl wichtig zu sein scheinen. Aber bei alledem sind noch jede Menge Freiheit drin, Gestaltungsmöglichkeiten gegeben. Letztendlich also gar nicht so detailliert. Gott hätte ja auch sagen können: “Hey Menschen! Baut mal eine x-beliebigen Tempel, damit ihr dort beten könnt!” Hat er aber nicht. Denn Gott ist nicht beliebig. Das sind nur wir Menschen ganz gerne. “Machen wir schon irgendwie…”

Gott ist da anders. Bei ihm gibt es nichts X-beliebiges. Und was er macht ist nicht pingelig, sondern perfekt.

Andreas

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Andreas König

Blogger, Freelancer, ehem. Buchhändler. Interessiert. Selbstdenker.

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