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Der Winterkönig

Der Winterkönig Book Cover Der Winterkönig
Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Jörg Olbrich
Roman
acabus Verlag
1. Oktober 2017
457
9783862825301

Wie durch ein Wunder überlebt der Sekretär Philipp Fabricius zusammen mit zwei Statthaltern den gewaltsamen Fenstersturz aus der Prager Burg. Philipp macht sich schwer verletzt auf den Weg nach Wien, um den Kaiser über die protestantischen Aufstände zu informieren. Mit Hilfe der schönen Magdalena erreicht seine Botschaft die Residenzstadt, doch die Lage zwischen Katholiken und Protestanten spitzt sich weiter zu und Philipp gerät ins Visier der gegnerischen Parteien. Der Krieg lässt sich nicht mehr aufhalten …
Währenddessen tritt in Pilsen der Schmied Hermann den kaiserlichen Truppen bei. Als Söldner in Tillys Armee begeht und erleidet er die Schrecken des Krieges. Die Chronik eines jungen Schreibers in Wien dokumentiert die Gräuel.

Verwüstung, Hungersnöte, Armut und Pest kosteten zwischen 1618 und 1648 rund sechs Millionen Menschen das Leben. Der Auftakt der sechsteiligen Romanreihe "Geschichten des Dreißigjährigen Krieges" überzeugt mit historischen Fakten und einer spannungsgeladenen Entwicklung.

Geschichte übte schon von Jugend an, eine große Faszination auf mich aus.

Gerade auch die Zeit des 30 jährigen Krieges. Irgendwie ist es schwer vorstellbar, dass 30 Jahre lang Kriegszustand in einem Land herrschen konnte. Andererseits muss man sicher auch die Zeit verstehen. Allein das Thema Kommunikationswege und -mittel sorgten schon dafür, dass nicht “mal schnell” auf irgendetwas reagiert werden konnte. Bis ein Heerführer erfuhr, was er tun sollte oder welche Truppen sich nun von hier nach dort bewegt hatten, konnte schon mal einige Zeit ins Land gehen.

Und dann kamen die Jahreszeiten noch dazu. Heere, die aus vielen Hunderten, oft auch Tausenden von Menschen bestanden, bewegten sich nur langsam und brachten erhebliche logistische Herausforderungen mit sich. An große Schlachten im tiefen Winter war gar nicht zu denken. Also gab es Winterlager und damit erzwungendermaßen Kampfpausen. Und dann geht schnell ein Jahr dahin, bis sich eine Armee gesammelt hat und mit einer anderen schlagen konnte. Dazu war das ganze System einfach zu schwerfällig.

Doch wie wollte man große Menschenmengen versorgen? Keine Autobahnen. Keine Bahntrassen. Keine Lebensmittelfabriken. Also war so ein Heer darauf angewiesen, sich irgendwie selbst zu versorgen. An Ackerbau und Viehzucht, von ein paar Hühnern, die mit der Truppe weiterzogen, einmal abgesehen, war sicher nicht zu denken. Blieb nur die Möglichkeit nahegelegene Bauernhöfe oder kleinere Ortschaften aufzusuchen, um dort Nahrungsmittel zu “beschaffen”. Dies geschah gegen den Willen der Ortsansässigen. Weshalb es dann regelmäßig zu Plünderungen gekommen ist. Und weil der Mensch eben ist, wie der Mensch ist, blieb es nicht nur bei Plünderungen, sondern das Tier im Menschen kam zum Vorschein. Vergewaltigungen waren dabei noch eher zu den “harmloseren” Verbrechen zu zählen, nachdem was die verschiedenen Berichte aus dieser Zeit beschreiben.

Wahrlich kein schönes Kapitel deutscher Geschichte.

Gerade weil es fürs uns Wohlstandskinder so schwer vorstellbar ist, wie diese Zeit war, finde ich es immer wieder großartig, wenn besonders Berufene sich hinsetzen, akribisch recherchieren und anschließend ein Stück Geschichte lebendig werden lassen.

Genau dies scheint mir mit den Geschichten des Dreißigjährigen Krieges, einem bisher sieben Bände umfassenden Werk von Jörg Olbrich, sehr gut gelungen zu sein.

Seine Beschreibungen wirken realistisch und obwohl sicher ein Teil Fiktion darin enthalten ist, äußerst glaubwürdig und authentisch. Das macht für mich einen Großteil des Reizes dieser Reihe aus, dessen erster Band “Der Winterkönig” ist, um den es hier geht.

Mein alter Geschichtslehrer in der zweiten Hälfte der 70er Jahre schaffte es seinerzeit durch “Geschichte in Einzelbildern” mein Interesse am Thema Geschichte zu wecken und vor Allem wach zu halten. Schon damals ließ er uns Geschichte anhand von Berichten “normaler” Leute jener Zeit miterleben. Natürlich gehörten die großen Könige, Daten und Ereignisse zum großen Schatz Allgemeinwissen, den man uns damals mitzugeben versuchte, dazu. Aber erst diese “Einzelbilder” ließen die besprochenen Zeiten plastisch erscheinen.

Dieses Deja vu hatte ich beim Winterkönig ständig. Bereits in den ersten Kapiteln, wo man als Leser den Prager Fenstersturz aus der Sicht eines direkt Betroffenen miterlebt, also eines Mannes, der aus dem besagten Fenster geworfen worden war, beginnt das Jahr 1618 zu leben. Geschichtsbücher berichten zwar über dieses Ereignis als den Auslöser des großen Konfliktes zwischen den Konfessionen, aber auf das Schicksal der Beteiligten wird wenig bis gar nicht eingegangen. Hier kommt das Genre Roman ins Spiel, das dem Autor die Freiheit gibt, die Fakten so aufzubereiten, dass sie interessant und – ich wiederhole mich – lebendig werden zu lassen.

Genauso wie uns Olbrich den weiteren Lebensweg des “rausgeflogenen” Sekretärs Philipp Fabricius miterleben lässt, begleiten wir im weiteren Verlauf den Söldner Hermann und den Schreiber Anton, den kaiserlichen Chronisten am kaiserlichen Wiener Hof. Diese und noch viele andere, überwiegend historische belegte Personen, begegnen uns bei der Lektüre. Und ohne den folgenden Bänden vorgreifen zu wollen: viele Personen begleiten uns auch in den weiteren Folgen der Romanreihe. So viel sei verraten: in jedem Band steht eine andere historische Persönlichkeit im Fokus der Handlung, die chronologisch voranschreitet.

Zwar ist das Ganze als Roman angelegt, durch die vielen historischen Details und Informationen würde ich Der Winterkönig eher als eine gute Mischung aus Sachbuch und Roman beschreiben wollen. Der Erzähler geht bei den Hauptfiguren zwar durchaus in deren Innerstes, bleibt aber dennoch auf einer respektvollen Distanz.

Ich habe es gern gelesen. Den zweiten Band habe ich ebenfalls schon durch und die andern stehen alle bei mir auf der Leseliste.

Picture of Andreas König

Andreas König

Blogger, Freelancer, ehem. Buchhändler. Interessiert. Selbstdenker.

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