Nicola Vollkommer
Roman
SCM Hänssler
Februar 2015
Paperback
288
9783775155830
Nichts liebt Lady Charlotte Greenwold mehr, als mit ihrem Kindheitsfreund Jake nach den Nestern von Möwen zu suchen. Doch ihr Vater Lord Winston lässt ihr keine Wahl: Sie muss standesgemäß heiraten, damit die Stellung der Familie erhalten bleibt. Doch dann öffnet sich die Tür eines alten Klosterturms und Charlottes Leben verändert sich für immer. Der Turm birgt Geheimnisse, die ihren beschaulichen Heimatort in den Abgrund zu reißen drohen. Nicola Vollkommers erster Roman spielt an den windumtosten Küsten Cornwalls.
Auch wenn der Wind im Titel des neuen Romans von Nicola Vollkommer eine Rolle spielt, sind es doch eher die Stürme in der Geschichte, die diesen Roman aus der Masse der Neuerscheinungen abhebt.
Man sollte sich als Leser nicht durch das Cornwall-Rosamunde-Pilcher-Cover von “Wie Möwen im Wind” in die Irre führen lassen. Die schwarze Silhouette der Frau im Vordergrund des Titel wunderte mich Anfangs ein wenig, aber der Verlauf der Geschichte zeigt schließlich, dass diese Art der Gestaltung zum Inhalt passt.
Bei “Wie Möwen im Wind” war ich nach dem Ende der Lektüre durchaus zwiegespalten. Um nicht missverstanden zu werden: “Wie Möwen im Wind” ist ein gut geschriebener Roman mit einer fesselnden Geschichte. Doch wer in der Erwartungshaltung eines britisch angehauchten Cornwallromans mit Herz und Schmerz an “Wie Möwen im Wind” herangeht – so wie ich es getan habe – wird eines Besseren belehrt werden.
Bei “Wie Möwen im Wind” kann man sich darauf verlassen: wenn äußere Stürme im Roman toben, dann wird es auch in der Handlung stürmisch. Nicht immer schweben die Protagonisten des Buches wie Möwen sanft auf den Schwingen des Windes dahin. Wenn der Sturm tobt, werden sie – wie Möwen auch – mächtig durcheinandergeschüttelt. Und auch mir als Leser erging es so.
Mit einem Sturm geht das Buch auch gleich los. Berstende Planken und blanke Panik auf einem Clipper vor der steinigen Küste. Sturm und Wellen machen dem Segelschiff das Leben schwer. Es ist dem Untergang geweiht. Der Kapitän geht als letzter von Bord und wird vom Wasser verschlungen. Doch plötzlich: eine Hand, die sich ihm entgegenstreckt. Ist das die Rettung? Doch in der Hand schimmert eine Klinge…..
Charlottes Geburt ist keine leichte Sache. Aber das Schlimmste daran ist, dass ihre Mutter das Kind nicht annehmen will, ja sogar noch im Kindbett offen ablehnt. So wächst Charlotte im Dorf, außerhalb des herrschaftlichen Sitzes ihrer Eltern, bei einer Amme auf.
Charlotte ist ein fröhliches und glückliches Kind. Dennoch überschattet die offene Ablehnung der Mutter und der harte Vater ihr Aufwachsen. Umsomehr genießt sie die Liebe ihrer Ziehmutter und ihres Sohnes, der mittlerweile auf dem herrschaftlichen Gut als Stallmeister dient. Mit ihm erlebt Charlotte schöne Momente ihrer Kindheit, wenn sie auf den Klippen liegen und mit dem Fernglas die Möwen beobachten.
Zu gern wäre sie aber auch von Vater und Mutter angenommen. Auch ihre Schwester ist ihr gegenüber abweisend und schroff. Die Mutter leidet darunter, dass es ihr nicht möglich war einen Sohn zu gebähren und der Vater lässt seinen Unmut über den fehlenden männlichen Erben ebenso schroff an Charlotte und seiner Frau aus.
Also alles in Allem herrschen in “Wie Möwen im Wind” sehr unschöne Familienverhältnisse.
Doch Charlotte boxt sich durch und will ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen. Der Vater findet Mittel und Wege, seinen Nachlass später in männliche Hände zu geben und nutzt dazu seine Töchter schamlos aus. Charlotte erliegt der scheinbaren und so lang ersehnten Annahme – und entfernt sich dabei von ihren Wurzeln, die eigentlich im Dorf und bei Jake, ihrem Ziehbruder, liegen.
“Wie Möwen im Wind” liest sich durchweg gut und nach dem stürmischen Auftakt wie ein Familienroman, in denen die Protagonisten schwere Zeiten durchzumachen haben. Es gibt viele schöne Momente in “Wie Möwen im Wind”, doch dann ist dort der alte Turm. Niemand betritt ihn jemals und im Dorf heisst es, dass dort Mönche spuken. Charlotte möchte zu gern wissen, was es mit diesem Turm auf sich hat. Doch als sie es endlich erfährt, hätte sie es besser niemals erfahren wollen.
Unschwer zu erraten, dass dieser Teil des Buches von einem heftigen Sturm begleitet wird. Und auch für den Leser ist dieser Part ein schwer verdaulicher. Schwer verdaulich in dem Sinne, dass sich die bis dahin eher dahinplätschernden Ereignisse im letzten Sturm wirklich hochdramatisch entwickeln und man schon geschockt sein kann, welche Geheimnisse die Gischt dem Leser ins Gesicht wirft.
“Wie Möwen im Wind” ist kein “Frauenroman” und wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Bis demnächst
Andreas