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DLP – Folge 5: Die Fähre

Wenn aus Buchtiteln Geschichten werden. Das literarische Puzzle bei Buch38.de. Aufgabe: Es gilt eine Anzahl vorgegebener Buchtitel nahtlos in eine Kurzgeschichte zu integrieren.
Herausforderung angenommen!


Folge 5: Die Fähre

Das graue Metall teilte das Wasser und die Gischt spritzte in einer kontinuierlich sich erneuernden Welle auseinander. Es war, als flöge sie, während ihr Arme, über die Reling ausgebreitet, vom Fahrtwind umweht wurden. Sie fühlte sich ein wenig wie Kate Winslet, die zusammen mit Leonardo DiCaprio, an der Bugspitze der Titanic stehend,

Die Welt

erobern wollte. Aber zum Glück befand sie sich nicht wirklich an Bord der Titanic. So war es nur die Fähre, die sie auf die kleine Insel in den Schären bringen sollte. Sie freute sich auf die Auszeit, die ihr bevorstand. Die letzten Monate waren schwer und anstrengend gewesen. Sie brauchte dringend Abstand und die Möglichkeit, ihre innere Ruhe wiederzufinden. Die vergangenen Ereignisse konnte sie nicht mehr rückgängig machen. So schwer es ihr fiel, musste sie sich letztendlich damit abfinden, allein zu sein. Nach

Romeos Tod

war ihre Welt in tausend Stücke explodiert. Alle Hoffnung, alle Freude schien aus ihrem Leben verschwunden zu sein. Der Himmel war grauer geworden, die Blumen blasser. Der Boden unter ihren Füßen war fort. Ein paar Monate zuvor schwebte sie vor Glück. Dann schwebte sie nur noch im luftleeren Raum. Haltlos. Hilflos.

Warum? – Eine sinnlose Frage. Das erkannte sie zum Glück schnell genug. Nie würde sie eine Antwort darauf bekommen. Einige Wochen schwebte sie weiter in jener sie einhüllenden Glocke aus Unverständnis und Ratlosigkeit.

Dann kehrte sie langsam wieder auf den Boden zurück. Sie war nicht der Typ, der sich ständig über Alles und Jedes Sorgen machte. Das lag ihr noch nie. Zum Glück hatte sie ihren Glauben, der ihr gerade in dieser Zeit aus dem Loch der Verzweiflung hinaushalf. Sie wollte nach vorne schauen. Dankbar sein. Dankbar für die Zeit, die sie miteinander haben durften, bevor diese heimtückische Krankheit zugeschlagen hatte und sie trennte. Physisch trennte. Aber niemals im Herzen.

Sie hatte sein Lachen so geliebt. Und seine Zärtlichkeit. Und seine oft überbordende Phantasie. Er erklärte ihr

Wie die Schweden das Träumen erfanden

Das hatte sie erst auf die Idee gebracht, in dieses schöne Land zu reisen. Dann wäre sie zwar für sich, aber irgendwie wäre immer noch ein Stück von ihm bei ihr.

Er überraschte sie eines Tages mit einem knallgelben Fiat 500, mit dem sie ins Wochenende fuhren. Er formte mit Kartoffelbrei kleine Skulpturen auf dem Teller und pfiff den ganzen Tag Oldies aus den 70er Jahren vor sich hin. Er lehrte sie

Die fünf Sprachen der Liebe

und auf ihrem großen Tisch stand jederzeit ein dichter Strauß bunter Blumen. Manchmal glaubte sie, er wäre nur eine Figur ihrer eigenen Phantasie. So einen wie ihn hatte sie vorher niemals getroffen. Und ihre Freundinnen gaben sogar unumwunden zu, sie an manchen Tagen um ihn beneidet zu haben.

Das Tuten der Fähre riss sie aus ihren Gedanken. Vor sich sah sie den Anleger, der ins Meer hinausragte. Ein paar Kinder standen am Geländer und winkten fröhlich herüber. Sie erwiderte den Gruß und ließ den Blick über die kleine Insel schweifen. Nur wenige kleine, geduckte Häuschen waren zu sehen. So klein war das Eiland, dass sie seine gesamte Breite erfassen konnte, ohne den Kopf wenden zu müssen.

Auf der Steuerbordseite legten zwei Matrosen schon die Leinen zu recht, um sie im passenden Augenblick auf den Steg werfen zu können. Das Schiff stampfte und vom Heck hörte sie das aufschäumende Kielwasser, als die Schiffsschraube auf Gegenschub umschaltete.

Sie griff nach der kleinen Reisetasche, stellte sie oben auf den Koffer und rollte mit beiden vom Bug weg in Richtung Reling. Der ältere der beiden Matrosen hatte schon die Sperrleinen ausgehängt und die hölzerne Gangway über den Rand geschoben. Schon flogen die Leinen und der zweite Matrose ging von Bord, um sie an den Pollern festzumachen.

Sie freute sich auf die kommenden Wochen. Sicher würde sie erneut lernen

Was ein gutes Leben ausmacht

Die Erinnerung würde ihr niemand nehmen und das Leben ging weiter. Schon heute würde es weitergehen. Sie würde sich darauf einlassen. Sie würde das Leben wieder zurückerobern. Da war sie sich ganz sicher. Sie beschloss glücklich zu werden. Und

Heute fange ich an

sagte sie sich, während sie ihren Schritt auf die Gangway setzte und die Fähre verließ.

Ende


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Romeos Tod

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Andreas König

Blogger, Freelancer, ehem. Buchhändler. Interessiert. Selbstdenker.

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